Prediger Sommerreihe Teil 3: Deutsches Design

Bauhaus. Das ist wohl der erste Begriff, an den man denkt, wenn es um deutsches Design geht. Nicht ohne Grund. Schließlich hat das Bauhaus seit den vierzehn Jahren seines Bestehens das Design vieler Länder nachhaltig geprägt. Aber schon vor der Bauhaus-Gründung im Jahr 1919 gab es hierzulande eine Designbewegung.

Bauhaus. Das ist wohl der erste Begriff, an den man denkt, wenn es um deutsches Design geht. Nicht ohne Grund. Schließlich hat das Bauhaus seit den vierzehn Jahren seines Bestehens das Design vieler Länder nachhaltig geprägt. Aber schon vor der Bauhaus-Gründung im Jahr 1919 gab es hierzulande eine Designbewegung. Und natürlich auch danach – und zwar nicht zu knapp. Was folgt, ist ein Überblick.

deutsches Design Bauhaus Dessau

In Sachen deutsches Design kommt man am Bauhaus nicht drum herum. Foto: Pixabay

Als der Bauhaus-Gründer Walter Gropius 1903 mit seinem Architekturstudium in München begann, lief die Produktion von deutschem Design in verschiedenen künstlerischen Zentren, die „Werkstätten“ genannt wurden, fast schon auf Hochtouren. Ziel der Werkstätten war es, das Kunstgewerbe zu reformieren und Designentwürfe in größerer Stückzahl zu produzieren. Besonders hervorzuheben sind da vor allem die Deutschen Werkstätten Hellerau, die im Zuge dieser Reformbewegung zu den bedeutendsten Herstellern von Möbeln gehörten, die von bekannten Künstlern entworfen wurden. Dazu gehörten etwa Designs von Max Rose, Otto Fischer oder Karl Groß, um nur einige Namen zu nennen.

Aber bleiben wir erst einmal im Jahr 1903. Denn während sich Gropius in München immatrikulierte, entwickelte Richard Riemerschmid in Hellerau seine sogenannten „Maschinenmöbel“: Maschinell gefertigte Möbel, die man vor dem Transport zerlegen und danach ganz einfach zusammensetzen konnte. Dadurch ließen sich zum einen Transportkosten sparen. Zum anderen bestanden die Möbel aber auch aus typisierten Elementen, sodass sie untereinander kombiniert werden konnten. Stilistisch war das kein Problem, denn die Möbel von Riemerschmid hatten allesamt eine sehr klare Formsprache. Zudem konnte man sie in verschiedenen Preisabstufungen kaufen. Zusammensetzbares Mobiliar ist also mitnichten eine Erfindung des IKEA-Gründers Ingvar Kamprad. Schließlich setzte er diese Methode erst in den 1950er-Jahren ein.

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Walter Gropius im Bauhaus-Gründungsjahr 1919. Foto: Louis Held

Bauhaus-Geburtsstunde in Weimar

Das erste Maschinenmöbel-Programm wurde 1906 auf der Dritten Deutschen Kunstgewerbeausstellung mit großem Erfolg vorgestellt. Im selben Jahr wechselte Walter Gropius an die Technische Hochschule Charlottenburg. Wobei an dieser Stelle ein weiterer Name ins Spiel kommt: Henry van de Velde. Denn 1906 war der belgisch-flämische Architekt damit beschäftigt, aus seinem „Kunstgewerblichen Seminar“ das als Lehranstalt konzipierte „Kunstgewerbliche Institut“ zu machen, das ein Jahr später den Betrieb in Weimar aufnahm. Hier etablierte van de Velde viele der Methoden und Prinzipien, für die das Bauhaus später berühmt werden sollte.

Es war übrigens auch Henry van de Velde, der am 12. April 1919 die Großherzoglich-Sächsische Hochschule für Bildende Kunst und die vier Jahre zuvor aufgelöste Kunstgewerbeschule Weimar miteinander vereinte und zugleich Walter Gropius als seinen Nachfolger ernannte. Dieser gab der Institution dann einen neuen Namen: Staatliches Bauhaus Weimar. Womit wir nun endlich bei der Geburtsstunde der prägenden Design-Ära wären.

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Klare Formen beherrschen das Dessauer Bauhaus von Gropius. Foto: Pixabay

Bahnbrechendes deutsches Design

Die Intention des Bauhauses war es, die Kunst von der Industrialisierung zu emanzipieren und das Kunsthandwerk zu fördern. Dadurch sollte sich vor allem die Architektur mit anderen Künsten verbinden. Gropius folgte dabei den Lehrprinzipien seines Vorgängers van de Velde. In einer sechsmonatigen Vorlehre bekamen die Studenten Formunterricht und machten Materialübungen. Danach folgten – in praktischer Anwendung – Werk- und Baulehre in den verschiedenen Werkstätten. In den jeweiligen Arbeitsgemeinschaften wurde die Unterscheidung zwischen Künstler und Handwerker aufgehoben – auch dem Namen nach. So nannten sich die Künstler fortan etwa „Meister der Form“. Diese neue Aufteilung hatte auch eine stark soziale Komponente. Denn die Bauhaus-Mitarbeiter wollten dadurch gesellschaftliche Unterschiede aufheben und zur Völkerverständigung beitragen. Kein Wunder, dass das Bauhaus per se als links und internationalistisch galt und somit von den Rechten kategorisch abgelehnt wurde.

Bis 1925 lehrten bedeutende Künstler wie Kandinsky, Schlemmer oder Klee am Bauhaus in Weimar. Sie waren prägend für das Design der Neuen Moderne, der Neuen Sachlichkeit sowie für den Funktionalismus. Die Designs der Lehrer wie Schüler waren bahnbrechend für das deutsche Design. Ein exemplarisches Beispiel für diese Bauhaus-Ära ist etwa die Leuchte, die Wilhelm Wagenfeld zusammen mit Carl Jakob Jucker 1923 in Weimar entwarf. Die einfachen geometrischen Formen folgen hier klar der Funktion – und stehen so ganz im Sinne des Bauhaus-Gedanken.

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Die Wagenfeld ist ein Bauhaus-Klassiker. Foto: Tecnolumen

Wilhelm Wagenfeld und Marianne Brandt

Die Leuchte sollte bereits 1924 kommerziell vermarktet werden. Da aber viele Teile in der Bauhaus-Werkstatt handgefertigt werden mussten, scheiterte dieses Unterfangen. Die Produktion war einfach zu aufwendig. Erst 1928 wurde sie von Schwintzer & Graff industriell gefertigt. Ein Massenprodukt wurde sie aber auch dann nicht. Sie war mit 55 Reichsmark einfach für die meisten Menschen zu teuer. Erst seit 1980 wird die Wagenfeld, wie man die Bauhaus-Leuchte inzwischen nennt, von dem Bremer Hersteller Tecnolumen endlich kommerziell erfolgreich hergestellt und vermarktet –von Wilhelm Wagenfeld autorisiert und urheberrechtlich geschützt, versteht sich.

Wie schon bereits erwähnt, galt das Bauhaus während der Weimarer Republik als links. Nachdem sich im Februar 1924 die Machtverhältnisse in Thüringen änderten, wurde dem Bauhaus die Hälfte seines Etats gestrichen. Dank der Förderung des Flugzeugbauers Hugo Junkers konnte Gropius mit seinem Bauhaus 1925 nach Dessau umziehen. Hier entstand etwa der erste freischwingende Stuhl sowie die legendäre Deckenleuchte von Marianne Brandt, die ab 1926 das Gebäude zierte und die heuer, wie die Wagenfeld, von Tecnolumen produziert wird.

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Die Leuchte von Marianne Brandt ist auch heute noch im Bauhaus Dessau zu bewundern. Foto: Pixabay

Deutsches Design und der Nationalsozialismus

Nachdem Gropius 1928 als Bauhaus-Direktor zurücktrat, übernahm Hannes Meyer die Leitung der Institution bis zu seiner fristlosen Entlassung im August 1930. Bis dahin galt die Devise „Volksbedarf statt Luxusbedarf“, was eine intensive Zusammenarbeit mit der Industrie zur Folge hatte. Ab 1930 wurde das Bauhaus von Ludwig Mies van der Rohe geleitet, der sich vor allem gegen Regularien der NSDAP wehren musste. Leider ohne Erfolg. 1932 wurde die Schließung des staatlichen Bauhauses, das für die Nazionalsozialisten eine „Kirche des Marxismus“ war, durchgesetzt. Noch im selben Jahr zog Ludwig Mies van der Rohe mit dem Bauhaus nach Berlin um. Als private Einrichtung. Doch bereits 1933 wurde die Institution von den Nationalsozialisten zur Selbstauflösung gezwungen.

Viele Schüler und Lehrer des Bauhauses – darunter auch Walter Gropius selbst – flohen in Folge des Zweiten Weltkriegs vor den Nationalsozialisten. Während in Deutschland unter dem Nazi-Regime die ästhetische Linie zwischen Konservatismus und Modernismus schwankte und aufgrund fehlender Impulse stillstand, trugen die Bauhaus-Eleven ihren Designstil hinaus in die Welt – und machten ihn somit überall bekannt. Vor allem in Israel, wo mehr als 4.000 Gebäude im Bauhaus-Stil errichtet wurden, und in den Vereinigten Staaten, wo Gropius an der Harvard Universität lehrte, entstanden wesentliche Design-Impulse, die auf den Bauhaus-Lehren beruhten.

deutsches Design Max Bill

Max Bill. Foto: ETH Bibliothek Zürich Bildarchiv/Marcel Vogt

Die „Gute Form“ und Max Bill

Deutschland lag derweil in Trümmern. Doch bereits 1949, als an Luxusgüter, geschweige denn an Design noch gar nicht zu denken war, kuratierte der Architekt Max Bill die Ausstellung „Gute Form“. Natürlich gab es während dieser Zeit auch schon andere künstlerische und industrielle Bestrebungen und Aktivitäten, aber Bills Ausstellung leitete eine neue Design-Ära ein. Denn aus der „Guten Form“ entwickelte sich letztlich der Leitgedanke der Hochschule für Gestaltung in Ulm, die 1953 durch Kontakte zu Walter Gropius sowie den Alliierten unter anderem von eben jenem Max Bill gegründet wurde, der bis 1955 auch Direktor sein sollte. Bill sah sich der Tradition des Bauhauses verpflichtet und richtete die Studienschwerpunkte dementsprechend aus.

Ganz unheikel war das nicht. Schließlich stand 1953 mit der Bauhaus-Debatte eben jenes in der Kritik: Rudolf Schwarz forderte dabei eine Auseinandersetzung mit den Zielen und Motiven des Neuen Bauens nach 1945 und prangerte Gropius an, der seiner Meinung nach den Funktionalismus über die Bedürfnisse der Menschen stellte. Obwohl sich Theodor W. Adorno zuvor ähnlich kritisch äußerte, stieß Schwarz mit seinen Diskussionseinwürfen nur auf wenig Gegenliebe. Eine fachlich-kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus blieb vorerst aus. Trotzdem wurde das Bauhaus-Konzept der praktischen Lehre 1955 an der Hochschule für Gestaltung gekippt, da die Dozenten eine Ausbildung mit mehr wissenschaftlichem und theoretischem Wissen forderten. Im selben Jahr trat Bill als Rektor zurück und verließ zwei Jahre später die Hochschule, die nach vielen internen Streitigkeiten ihren Lehrbetrieb Ende 1968 aufgab.

deutsches Design Ingo Maurer Bulb

Eine Leuchte ist eine Leuchte ist eine Leuchte: Bulb von Ingo Maurer. Foto: Ingo Maurer

Superstar Plastik

Zugleich wurde in Deutschland eine neue Ära eingeleitet. Nämlich die der Popkultur. Und diese spiegelte sich auch im Design wider. Statt dem Understatement und der kühlen Geometrie der „Guten Form“ explodierten plötzlich die Farben und Formen. Das Wohnzimmer wich der Wohnlandschaft. So schuf etwa Verner Panton mit Visiona 00 und Visiona 02 futuristische Welten in bunt für den Privatbereich. Wobei er aber auch das Gewerbe optisch auf den Kopf stellte. So schuf er für das Spiegel-Magazin nicht nur deren legendäre Kantine, sondern gestaltete auch den Prediger Showroom in Hamburg 1968 komplett neu. Wobei sich im Leuchtenbereich auch auf der produzierenden Seite einiges tat. Zum Beispiel dank Ingo Maurer, der mit seinen Designs zwei sehr unterschiedliche Strömungen prägte. Zum einen entwarf er spielerisch inszenierte Demonstrationen. Das kann man am besten an seinem Erstlingswerk Bulb erkennen: eine Leuchte, die eine Leuchte darstellt – um zu leuchten. Zum anderen setzte er aber auch das Prinzip der Tarnung ein. Wie etwa bei seinen Leuchten Campari oder Canned-Light, die mehr Kunstobjekt der Popkultur sind und die sich erst beim Einschalten des Lichts als Leuchte zu erkennen geben.

Darüber hinaus bekam ein neues Material von vielen Designern die Hauptrolle zugewiesen: Plastik. Plastikstühle wie das 1967 von Günter Belting entworfene Modell Floris sind heute noch legendär. Nicht zu vergessen der Bofinger-Stuhl von Helmut Bätzner, der auch heute noch in regem Gebrauch ist, weil er nicht nur leicht und stapelbar war und ist, sondern eben auch noch günstig – und dementsprechend weit verbreitet. Doch 1973 war in Deutschland schon wieder Schluss mit dem Plastikrausch. Dank Ölkrise. Andere Materialien, allen voran Holz, eroberten die Herzen der Designer. Und plötzlich spielte auch wieder die „Gute Form“ eine Rolle.

deutsches Design Flos Konstantin Grcic

Die Pendelleuchte OK von Konstantin Grcic. Foto: Flos/Gionata Xerra

Vom Neuen Deutschen Design zum Pluralismus

Damit war erst endgültig Schluss, als in den 1980er-Jahren das sogenannte „Neue Deutsche Design“ aufkam, das sich als Antwort auf das Diktum eben jener „Guten Form“ sah und das sich vom Industriedesign bewusst abwenden wollte. Der Begriff des Neuen Deutschen Designs wurde maßgeblich von der Designergruppe Kunstflug geprägt, von denen unter anderem die wegweisende Bauleuchte stammt. Obwohl die Entwürfe des Neuen deutschen Designs alles andere als massentauglich waren und statt in Privathaushalten eher im Museum landeten, war die Strömung wegweisend für ein unmittelbares Materialverständnis. Neben Holz wurde nun auch viel aus Stahl und Beton gefertigt. Das wiederum führte zu einer Art neuen Bescheidenheit im deutschen Design. Klare und stilistisch klassische Formen wurden bevorzugt.

Im Zuge der Globalisierung fand zeitgleich eine pluralistische Entwicklung statt. Deutsches Design ist heutzutage dementsprechend nicht wirklich zu charakterisieren. Schon alleine, weil sich deutsche Firmen Designer aus der ganzen Welt holen oder anders herum deutsche Designer international arbeiten. Wie etwa Werner Aisslinger, der 2014 für den spanischen Hersteller B.Lux die Deckenleuchte Aspen entwarf, die optisch Bauhaus und Industriestil miteinander vereint. Einer der derzeit erfolgreichsten deutschen Designer ist übrigens Konstantin Grcic, der zum Beispiel für den italienischen Hersteller Flos Leuchten entwirft. Auch bei ihm überwiegt, wie etwa bei der Pendelleuchte OK, eine klare und minimalistische Formsprache, die aufgrund der geometrischen Formen durchaus an das Bauhaus erinnert. Wobei sich Grcic als selbstbestimmter Industriedesigner aber keinen Designtraditionen, sondern einzig und allein der Gesellschaft gegenüber verpflichtet sieht. Seine Leuchten sollen also einen hohen Nutzwert haben und erst dann einen ästhetischen Anspruch.