Aus der Wohnung ins Museum: Design-Symposium „Die kreative Unschärfe“ in Hamburg

Ab wann wird aus einem Design- ein Museumsstück? Warum sammeln Museen eigentlich Designexponate? Was ist bei einem guten Design wichtiger: Kreativität oder Funktionalität? Und wie – oder über was – definiert sich Design heutzutage eigentlich? Mit all diesen Fragen beschäftigte sich am 18. und 19. Oktober 2018 das Design-Symposium „Die kreative Unschärfe“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.

Ab wann wird aus einem Design- ein Museumsstück? Warum sammeln Museen eigentlich Designexponate? Was ist bei einem guten Design wichtiger: Kreativität oder Funktionalität? Und wie – oder über was – definiert sich Design heutzutage eigentlich? Mit all diesen Fragen beschäftigte sich am 18. und 19. Oktober 2018 das Design-Symposium „Die kreative Unschärfe“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.

Design-Symposium, MKG Hamburg, Prediger Lichtberater

Die scheidende Museumdirektorin Sabine Schulze (li.) bekam von ihrer Nachfolgerin Tulga Beyerle (re.) das Design-Symposium kuratiert. Alle Fotos: Anja Beutler/MKG

Design ist nicht nur schön oder praktisch oder beides. Design ist vor allem ein ganz, ganz weites Feld: Modedesign, Schmuckdesign, Produktdesign, Grafikdesign, Industriedesign, Mediendesign, Webdesign oder gar Kommunikationsdesign. Design, das sind nicht nur Möbel, Kleidung und schöne Grafiken. Design hat derart viele unterschiedliche Gesichter, dass es quasi omnipräsent ist. In unserem Leben. In unserer Gesellschaft. Und: Design ist ständig im Wandel. Ebenso wie wir selbst und die Welt, in der wir leben. Weiß man erst einmal um diese höchst komplexe Struktur des Designs an sich, ist es umso erstaunlicher, dass es dem Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg tatsächlich an den zwei Tagen des Design-Symposiums „Die kreative Unschärfe“, welches zu Ehren der scheidenden Direktorin Sabine Schultze von deren Nachfolgerin Tulga Beyerle kuratiert wurde, gelang, einen Großteil der theoretischen und praktischen Aspekte dank zahlreicher Vorträge weltweit agierender Designer und Kuratoren abzudecken.

Das Leuchtendesign an sich spielt in dieser komplexen Welt natürlich nur eine etwas kleinere Rolle. Es war, um es gleich einmal vorwegzunehmen, dementsprechend auch nicht Thema. Obwohl etablierte Leuchtendesigner wie etwa Konstantin Grcic, dessen Kreationen May Day und OK, die er für Flos entwarf, aufgrund ihrer enormen Mobilität seinerzeit den Leuchtenmarkt aufrüttelten oder aber Mathias Hahn, der unter anderem Leuchten für Marset designte, anwesend waren. Während sich Grcic in seinem Kurzvortrag vor allem mit der Frage beschäftigte, wie man als Designer im Zuge der Digitalisierung nicht obsolet werden und sich auch in Zukunft gegen Algorithmen behaupten kann, ging es bei Hahn eher um den künstlerischen Aspekt einiger seiner Arbeiten, bzw. darum, dass auch Kunstaktionen designt werden können. Womit er Design und Museum verband und so dem Rahmen des Symposiums perfekt entsprach.

Argumentations-Ping-Pong auf dem Design-Symposium

Design-Symposium, MKG Hamburg, Prediger Lichtberater

Vortragende beim Design-Symposium v.l.n.r.: Jan Boelen, Hendrike Farenholtz, Julia Lohmann, Sabine Schulze, Inke Hans, Mathias Hahn, Tulga Beyerle, Judith Seng, Axel Kufus, Cecilia Léon de la Barra, Daniel Charny und Aric Chen

Zugleich widersprach Mathias Hahn aber auch einem seiner Vorredner. Denn Daniel Charny, der unter anderem als Design-Professor an der Kingston School of Art in London lehrt, definierte Design als unabdingbaren Dreiklang von Designer, Manufaktur und Nutzer. Würde eine der drei Komponenten wegfallen, könne man nicht mehr von Design, sondern nur von einem Produkt sprechen. Oder eben Kunst. Hahn war da naturgemäß anderer Meinung, denn schließlich ist ein von ihm entworfener Klapptisch explizit für die Ikea-Massenproduktion entstanden. Ein weiteres Beispiel, dass Charnys Definition nicht ganz greift, war Hendrike Farenholtz, deren Kommoden und Sideboards ein Paradebeispiel für Manufaktur sind, die auch weltweit begeisterte Nutzer finden. Nur Farenholtz selbst kann als Autodidaktin nicht als Designerin im klassischen Sinne bezeichnet werden. So einfach ist es mit einer einheitlichen Designdefinition dann eben doch nicht.

Nicht minder spannend war die Frage, wieviele unterschiedlichen Stühle man denn brauchen würde in seinem Leben, die an die niederländische Designerin Ineke Hans ging, da diese sich nämlich auf das Design von Stühlen spezialisiert hat. Hans arbeitete heraus, dass Stuhl eben nicht gleich Stuhl ist, sondern verschiedene ästhetische und auch praktische Ansprüche erfüllen muss. Zugleich zeigte sie aber auch auf, dass Möbeldesign durchaus auch in die andere Richtung gehen kann, indem es auf gesellschaftlich komprimiertes Leben eingeht. Während ihre Großmutter noch einen Küchentisch, einen Wohnzimmertisch, einen Esstisch und einen Arbeitstisch besaß – und vor allem auch den Platz dafür hatte – muss heutzutage ein einziger Tisch all diesen Ansprüchen zugleich gerecht werden, weil die Menschen in ihren immer kleiner (weil teurer) werdenden Wohnungen keinen Platz für vier unterschiedliche Varianten haben.

Design im Museum und im Alltag

Design-Symposium, MKG Hamburg, Prediger Lichtberater

Teilnehmer des zweiten Symposium-Tages v.l.n.r.: Jon Stam, Aram Lee, Jan Boelen, Axel Kufus, Anais Borie, Daniel Charny, Sabine Schulze, Ottonie von Roeder, Tulga Beyerle, Hendrike Farenholtz, Robert Stadler, Cecilia León de la Barra, Aric Chen und Ineke Hans

Neben all diesen eher in der Praxis verorteten Diskussionen kam auch das Thema Design und Museum nicht zu kurz. Denn wie – und vor allem warum – kommt Design eigentlich ins Museum? Die beste Begründung lieferte da die Industriedesignerin, Autorin und Kuratorin Cecilia León de la Barra, die in Mexiko Stadt eine Designausstellung initiierte und dafür die wichtigsten Designs ihres Landes aus verschiedenen Jahrzehnten sammelte. Heraus kam dabei nicht nur ein geschichtlicher Designabriss Mexikos, denn die Ausstellung zeigte damit zugleich auch die soziale Entwicklung des Landes zu dieser Zeit. Womit sie eine gesellschaftliche Relevanz hatte.

Ähnlich sah es auch der Industriedesigner Robert Stadler, der der Meinung war, dass Design, wenn es in einer Ausstellung integriert ist, Fragen stellen, kritisch sein und Denkräume eröffnen könne. Als gekaufter Gebrauchsgegenstand tue es das allerdings nicht, da dort die Hauptaufgaben des Designs auf Funktionalität und Ästhetik lägen. Ein Museum indes zeigt den gesellschaftlichen Kontext, in dem sich Design bewegt. Und genau das ist auch der Grund, warum man sich eben kein Museumsstück, sondern einen zeitlosen Klassiker kauft, wenn man zum Beispiel mit der Anschaffung der legendären Tizio von Richard Sapper liebäugelt, die zu den ersten Leuchten überhaupt gehörte, die das New Yorker Museum of Mordern Art in die ständige Designsammlung aufnahm. Dort wird die Leuchte als Designentwicklungssprung sowie als Zeitzeuge ausgestellt. In den eigenen vier Wänden ist die Leuchte aber vor allem ein zeitlos schönes Designobjekt, das wunderschönes Licht spendet.