Prediger Sommerreihe Teil 5: Design aus der Schweiz

Denkt man an Design aus der Schweiz, kommt einem vor allem ein Name in den Sinn: Le Corbusier. Obwohl der gebürtige Schweizer heutzutage durchaus umstritten ist, gilt er nach wie vor als Jahrhundertarchitekt und Designikone. Aber die Schweiz hat noch weit mehr interessante Designprotagonisten zu bieten.

Denkt man an Design aus der Schweiz, kommt einem vor allem ein Name in den Sinn: Le Corbusier. Obwohl der gebürtige Schweizer heutzutage durchaus umstritten ist, gilt er nach wie vor als Jahrhundertarchitekt und Designikone. Aber die Schweiz hat noch weit mehr interessante Designprotagonisten zu bieten. Machen wir also einen Ausflug zu den Eidgenossen.

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Büste von Le Corbusier in Frankreich. Foto: Pixabay

Wer sich mit Designgeschichte weltweit beschäftigt, der wird die Schweiz wahrscheinlich nicht primär auf dem Schirm haben. Zwar ist der Name Le Corbusier jedem, der sich für Design und Architektur interessiert, ein Begriff, aber darüber hinaus verlässt man das Alpenland meist auch wieder schnell. Dabei hat die Schweiz im Bereich Design weit mehr zu bieten als eben jenen Le Corbusier, der 1887 in der bekannten Uhrenstadt La Chaux-de-Fonds als Charles-Édouard Jeanneret-Gris geboren wurde und der im Jahr 1900 erst einmal an der Kunstgewerbeschule eine Lehre zum Gravierer und Ziseleur begann, bevor er zu einem der bedeutendsten – und inzwischen auch umstrittensten – Architekten und Designern des 20. Jahrhunderts avancierte.

Le Corbusier, der sein Pseudonym übrigens erstmals 1920 nutzte, als er der Schweiz schon drei Jahre lang den Rücken zugekehrt hatte und in Paris lebte, revolutionierte mit seinen Ideen Architektur wie Design. Er propagierte die elementare Form und wollte, dass sämtliche Dekorationseffekte vermieden werden. Der Plattenbau war sein Paradebeispiel. Und auch seine Designs, wie etwa die legendäre „Lampe de Marseille“ aus dem Jahr 1949 haben Geschichte geschrieben. Die fünf wichtigsten Leuchten-Kreationen werden inzwischen übrigens von einem italienischen Hersteller produziert: Nemo.

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Max Bill. Foto: ETH Bibliothek Zürich Bildarchiv/Marcel Vogt

Die zwei Seiten von Le Corbusier

So beeindruckend die Designs von Le Corbusier auch sein mögen – er war Karrierist und Faschist in Personalunion, liebäugelte mit Hitler und diente sich der Obrigkeit an. Diese Ideologien findet man auch in seinen Gebäuden und Produkten, weswegen er heutzutage oft kritisch betrachtet wird. Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass seit 2016 sage und schreibe 17 seiner Bauten zum UNESCO-Welterbe gehören. Und dass er zahlreiche Designer mit seinen revolutionären Ideen beeinflusst und geprägt hat.

Einer von ihnen war Max Bill, der bereits im zarten Alter von 17 Jahren in Paris mit den Werken von Le Corbusier in Berührung kam, die ihn stark beeindruckten. Ohne diese Inspiration wäre Max Bill nach seiner Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Zürich vielleicht Silberschmied geworden. So aber ging er 1927 ans Bauhaus Dessau und lernte unter anderem von Wassily Kandinsky, Paul Klee und Oskar Schlemmer. Dem Bauhaus-Stil sollte Bill Zeit seines Lebens treu bleiben – auch als er die Ulmer Hochschule für Gestaltung mitbegründete und später in Zürich, Brüssel, Hamburg und Berlin lehrte.

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Susi und Ueli Berger, 1987. Foto: Museum für Gestaltung Zürich/ZHdK

Von Max Bill bis Susi und Ueli Berger

Wobei Max Bill die Ideologien des Bauhauses zwar in der Grundstruktur beibehielt, daraus aber die „Gute Form“ entwickelte, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz lange Zeit Maßstäbe setzte: klare, schlichte und doch gefällige Formen, die streng der Funktionalität folgten. Dieses Prinzip kam den Designern aus der Schweiz entgegen. Immerhin gelten Entwürfe der Eidgenossen seit jeher als ehrlich, präzise, unaufgeregt und benutzerfreundlich. Nicht zuletzt die weltweite Popularität von Schweizer Uhren und beliebte Typografien wie etwa Helvetica, eine der meistgenutzten Schriftarten der Welt, künden davon. Und auch sonst sind die schlichten und soliden Formen des Modernismus aus den Designs in der Schweiz nicht wegzudenken.

Das ändert sich erst im Jahr 1967, als das Paar Susi Berger-Wyss und Ueli Berger die Gestaltungsgrundsätze der „Guten Form“ zu hinterfragen begann: Sind rechter Winkel und Stahlprofil noch zeitgemäß angesichts der sich anbahnenden gesellschaftlichen Umwälzungen? Wie wohnen junge Leute, die nicht auf eine Aussteuer hinsparen wollen? Die Grafikerin und der Künstler prägten mit diesen Fragen ein neues Designverständnis zwischen Objektkunst und Alltagskultur, Rationalität und Sinnlichkeit.

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Die Wolkenleuchte aus dem Jahr 1970 von Susi und Ueli Berger. Foto: Museum für Gestaltung Zürich/ZHdK

Parallelen zu Deutschland

Ihre Möbelentwürfe entstanden im persönlichen Dialog und zwischen den Disziplinen Kunst und Design, wie sie selbst einst in einem Interview bestätigten: „Wir sind Funktionalisten mit dem kleinen Unterschied, dass wir den Begriff der Funktion nicht auf den praktischen Nutzen reduzieren, sondern geistige und sinnliche Inhalte gleichberechtigt mit einbeziehen.“ Wie sprechend und intellektuell und zugleich praktisch und funktional die Designs von Susi und Ueli Berger sind, kann man derzeit noch bis zum 19. August 2018 im Museum für Gestaltung Zürich sehen, das dem Paar mit „PA-DONG!“ eine eigene Ausstellung widmet.

Die Entwicklung des Designs verlief in der Schweiz also durchaus ähnlich wie in Deutschland . Beziehungsweise dem Rest der Welt. Schließlich wurde quasi überall seit den 1970er-Jahren gegen althergebrachte Prinzipien rebelliert und neue Designwege entdeckt, die letztlich im Pluralismus endeten. So weit, so gut. Aber wie sieht es denn nun speziell im Leuchtenbereich aus? Da gibt es tatsächlich ein paar interessante Entwicklungen. Denn in Sachen Leuchten setzen die Hersteller aus der Schweiz seit vielen Jahren nicht nur auf einheimische Designer. Anders herum sind aber auch viele Designer aus dem Alpenland für viele international bekannte Produzenten tätig. Das dröseln wir jetzt mal ein wenig auf.

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Überzeugendes Design trifft auf innovative Technik: Leuchte Lifte von Benjamin Thut. Foto: Belux

Design aus der Schweiz gestern und heute

Wenn es um die Verbindung von Design und Leuchten geht, kommt man um das bei Basel angesiedelte Unternehmen Vitra nicht herum, das seit seiner Gründung im Jahr 1950 im Familienbesitz ist. Von Anfang an setzte Vitra auf internationale Designer wie Charles und Ray Eames, deren Möbel in den USA umjubelt waren und die dank Vitra auch in Europa schnell Fuß fassen konnten. Und die Akari-Leuchten von Isamu Noguchi hätten in den 1950er-Jahren nicht derart Kult werden können, wenn Vitra sie nicht vertrieben hätte. Auch Norman Foster, Frank Gehry, Alexander Girard oder Verner Panton haben für das Unternehmen designt.

Die 1970 in Gebensdorf gegründete Firma Belux hingegen setzt nicht nur auf internationale Namen (auch hier wurde bereits erfolgreich mit Frank Gehry zusammengearbeitet), sondern auch auf Landsmänner, wie etwa Benjamin Thut, Sohn des berühmten Designers Kurt Thut. Dieser Entwarf zum Beispiel die Leuchte Lifto, die mit ihrer klaren und leichten Formsprache unter anderem auch die Jury des Red Dot Awards überzeugen konnte. Wobei sie es auch technisch in sich hat, denn die Lichtfarbe der Lifto lässt sich nicht nur stufenlos einstellen – die Leuchte hat auch keinen Standby-Stromverbrauch. Schon allein daran erkennt man, wie sich Belux von Vitra unterscheidet: hier geht es nicht nur ums Designs, sondern auch immer um die technische Innovation. Das gilt dann auch für die Stehleuchte Ypsilon , die der bekannte Schweizer Designer Hannes Wettstein 1999 für Belux entwarf.

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Die Carrara von Alfredo Häberli ist ein echter Blickfang. Foto: Luceplan

Aufregend unaufgeregt

International bekannt ist der schweizerisch-argentinische Designer Alfredo Häberli, dessen schlichte und doch eingängige Kreationen weltweit großen Anklang finden. Bestes Beispiel dafür ist die Leuchte Carrara, die er im Jahr 2001 für den italienischen Hersteller Luceplan  entwarf: die Stehleuchte brilliert mit einer eleganten Linienführung und dient im ausgeschalteten Zustand fast schon als Skulptur. Die Formen sind dezent, aber trotzdem ein unglaublicher Blickfang, obwohl hier – ganz im Sinne von Le Corbusier – auf vierzierende Elemente verzichtet wurde.

Sie sehen: Schweizer Design lässt sich nicht allein auf Le Corbusier reduzieren. Und auch nicht auf Max Bill. Zahlreiche Designgrößen zeugen fernab des Taschenmessers und der Uhr, dass Design von den Eidgenossen ebenso interessant und vielfältig ist, wie in Deutschland, Skandinavien oder Italien. Wenn auch unaufgeregter und bodenständiger – wie es in der Schweiz eben üblich ist. Dafür aber nicht weniger beeindruckend.